Atelierausstellung

Barbara Beer

Transformation

Acryl- und Erdmalerei

Eröffnung am 1. September 2017

Rede von Dr. Barbara Moos zur Eröffnung der Atelierausstellung im September 2017

Dr. Barbara Moos - Rede
Dr. Barbara Moos
Dr. Barbara Moos

Liebe Gäste,

ich freue mich, dass ich heute ein paar einführende Gedanken äußern darf zum Thema „Transformation“, das Barbara Beers Bildauswahl für ihre Ausstellung bestimmt hat.

Wie alle haben Assoziationen zu diesem Stichwort und Ihr Interesse an der Ausstellung lässt mich vermuten, dass Sie sich von den Formen und dem Ausdruck anregen lassen wollen, den Barbara Beer in ihren Werken dafür gefunden hat.

Da ist zunächst einmal das Triptychon mit dem gleichnamigen Titel („Transformation“). Es zeigt eine ägyptische „Vogelgöttin“, die ihr als Beispiel dafür dient, wie der „Zyklus des Lebens“, also die schon von unseren sehr frühen Vorfahren unterschiedenen Phasen der natürlichen Veränderungen alles Lebendigen, sich wiederholt wie die Mondphasen und zuverlässig wiederkehrt wie der Winter dem Sommer folgt und die Sonne im Frühling Licht und Leben zurückbringt.

Ein anderes frühes Symbol für eine Transformation, die wesentlich dramatischer und überraschender erfolgt, ist der Schmetterling.

Aus einem häufig winzigen Ei schlüpfen zunächst ebenfalls winzige Räupchen, die als wahre Fressmaschinen in kürzester Zeit zum vielfachen ihrer ursprünglichen Größe heranwachsen bis zu dem Augenblick, indem sie sich einen geschützten Platz suchen, an dem sie sich verpuppen können. Und nun geschieht in einer Zeit der äußeren Starre im Inneren der Puppe ein unseren Augen verborgener und unvorstellbarer vollständiger Gestaltwandel. Kein Organ bleibt, wie es war.

Die gesamte Struktur der Raupe löst sich auf, nur gehalten von der Hülle, die die Puppe umschließt. Allmählich ordnen sich die Moleküle und Zellen zu neuen Organen und Körperstrukturen, bis der Schmetterling soweit ist, die Hülle zu sprengen, herauszukrabbeln, seine Flügel langsam zu entfalten und zu trocknen … Sie wissen, wie die Geschichte weiter geht.

Wenn wir die Möglichkeit hätten, einen Blick ins Innere der Puppe zu werfen, mitten in diesen Prozess, würden wir vielleicht etwas sehen, was dem Bild „der Grüne Engel“ entspricht. Schwer zu sagen, was von dem, was wir sehen alte Strukturen sind, die sich grade auflösen und was Teile des neuen zukünftigen Schmetterlings sein werden. Das ist die Herausforderung, der Barbara Beer sich hier gestellt hat und die sie uns als Betrachterinnen zumutet.

In der Musik hören wir im Fortgang einer Melodie oder eines Themas den zeitbedingten Transformationsprozess ganz unmittelbar. Würden wir nur einen einzigen Akkord hören, könnten wir auch nicht vorhersehen, was danach kommen wird.

So können einzelne Bilder immer nur eine Momentaufnahme sein. Anders als beim Triptychon, das verschiedene Phasen des vollständigen Zyklus darstellt, bleibt es uns als BetrachterInnen überlassen, zu erahnen oder zu interpretieren, was als nächstes folgen wird. Was die Zukunft bringen wird – und auszuhalten, dass wir es nicht wissen können. Zumindest aus der gegenwärtigen Perspektive, denn den Gesamtprozess kennen wir ja doch häufig.

Ich behaupte jetzt nicht, dass der „grüne Engel“ den Prozess der Entstehung eines Schmetterlings meint. Was aber auffällt, ist die kräftige Farbigkeit der meisten Werke, die hier in der Ausstellung versammelt sind. Anders als bei Barbara Beers „Erdmalereien“ dominieren hier leuchtende Farben … Regenbogenfarben – ein weiteres Symbol für Wandel und das Versprechen, das alles dem Grunde nach gut ist, so, wie es ist.

Wollte die Künstlerin das mit ihrer Farbauswahl wohl zum Ausdruck bringen?

Tatsächlich sind die Ergebnisse eines intuitiven Malprozesses, auch wenn er immer wieder bewussten Entscheidungen folgt, für die Künstlerin ebenso überraschend wie für uns, die wir die  Ergebnisse sehen. Ich bin sicher, Sie und ich werden nicht genau dasselbe sehen, denn wir werden durch solche Bilder ja angeregt, unserer eigenen Wahrnehmung Aufmerksamkeit zu schenken und uns nicht ablenken zu lassen von Bedeutungen, die anderen sichtbar geworden sind. Auch wenn es natürlich anregend ist, sich darüber auszutauschen.

Viele Bilder dieser Ausstellung sind „ohne Titel“. Auch das kann uns dabei unterstützen, unsere eigenen Wahrnehmungen mindestens so ernst zu nehmen, wie die Erklärungen und Deutungen anderer. Es gibt eben so viele zutreffende Sichtweisen wie Menschen auf diesem Planeten. Vertrauen Sie also Ihren eigenen Einsichten.

Ein weiterer Aspekt scheint mir wichtig: Ich habe zwar vorhin den Begriff „Momentaufnahme“ benutzt, aber der ist nur begrenzt zutreffend … Bei Barbara Beers Bildern gibt es Beispiele, bei denen sie, nach der Phase, wie sie der grüne Engel zeigt, geradezu spielerisch der Frage nachgegangen zu sein scheint, „was könnte daraus entstehen?“ Es gibt sozusagen eine darüber liegende Schicht von möglichen Strukturen, die sich aus der eher undeutlichen Farbigkeit darunter entwickeln könnten. Anders als bei dem Bild „Verpuppung“ aus dem Triptychon, wo die eine vollständige Form durch die andere hindurch scheint, ist eine endgültige neue Gestalt aber hier noch nicht einmal zu ahnen.

Ein letzter Gedankengang – und dann dürfen Sie endlich in aller Ruhe selbst schauen, was Sie entdecken:

„Alles fließt“, war eine Einsicht, die uns von Heraklit überliefert ist, der das bereits vor 2500 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes bemerkenswert fand. „Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss“. Leider wurde diese Schule des Denkens in unserer Kultur verdrängt von denjenigen, die sich um das Wesen der Dinge Gedanken gemacht haben. Wenn sich die führenden Philosophen einer Kultur aber vor allem mit den Dingen befassen (und ihrem unveränderbaren „Wesen“), dann schlägt sich das nieder in der Wahrnehmung und im Sprachgebrauch aller. Unsere Kinder sagen eher „Auto“ als „fahren“, „Hund“ oder „Katze“ statt „bellen“ oder „schnurren“ und „Mama“ statt “zusammen sein“ oder „knuddeln“. In der Regel fällt uns gar nicht auf, wie unser Sprachgebrauch, also die Symbole, mit denen wir uns verständigen, die scheinbar unveränderlichen Aspekte unserer Umwelt in den Vordergrund rücken. Dabei geben wir bei näherer Betrachtung zu, das Heraklit recht hat und auch Felsen und Berge z.B. nicht ewig Bestand haben.

Ich bin davon überzeugt, dass es unsere Denk- und Wahrnehmungsgewohnheiten sind, die unser Unbehagen mit dem Transformationsprozess verursachen. Und es ist keine ganz leichte Aufgabe, uns entgegen diesen Gewohnheiten, darauf aufmerksam zu machen, dass Transformation ständig und überall in uns und um uns herum geschieht. In der Regel ohne dass wir das bewusst wahrnehmen.

Lassen wir uns also von Barbara Beer und den Bildern dieser Ausstellung einladen, uns diesen Prozess vor Augen zu führen und vielleicht sogar Gefallen daran zu finden, dass nichts so bleibt, wie es ist.

Rede von Dr. Barbara Moos zur Eröffnung der Atelierausstellung im September 2017